Originally Posted By: ventilator
interessante grasdächer auf firoballs letztem foto. ist das nachher draufgewuchert oder war das original so geplant?

Das ist typisch für Festungen, aus Zeiten in denen man mit Kanonen aufeinander losgeballert hatte.
Da es für unseren Burgenforschungs-Thread nicht ganz uninteressant ist, werde ich mal, bevor ich Deine Frage beantworte, ein wenig weiter ausholen. wink


Kleine Festungsbau-Geschichte in Kurzfassung:

- Im frühen Mittelalter baute man Burgen noch aus Holz. Meistens waren das große Holztürme auf einem künstlich aufgeschütteten Erdhügel mit einem Graben drum herum ( Motte ). Gegen die Waffen der damaligen Zeit war das ausreichend.

- Dann hatte irgendjemand die Brandpfeile erfunden (bzw. man hatte eigentlich die Eisenspitzen der Pfeile in einer Schmiede glühend gemacht), sodass viele Holzburgen in Flammen aufgingen. Auch gegen Rammböcke waren die Holzpalisaden eher machtlos. Die Folge war, dass man die Türe der Motten nicht mehr aus Holz, sondern aus (feuerfestem) Stein baute. Die ersten Steinburgen hatten tatsächlich noch die runde Form einer Motte, und wurden auf einem künstlich aufgeschütteten Erdhügel gebaut. Ein noch gut erhaltenes Beispiel dafür ist Gisors.

- Dann musste man aber bald feststellen, dass diese Steinburgen zu schwer für einen künstlichen Erdhügel waren. Viele Burgen bekamen Risse und sind sogar eingestürzt. Daraufhin baute man die Burgen auf flachem, festen Boden, und machte die Türme dafür umso höher. Das Ergebnis waren die ersten Wohntürme, die in Frankreich "Donjon" genannt wurden, und in England "Keep".

- Diese Wohntürme gab es in allen möglichen Formen (rund, eckig, mit Türmen an den Seitenkanten). Oft waren sie an der Unterseite abgeschrägt (siehe Bild) und erinnerten damit noch ein wenig an die Hügel der Motten. Wahrscheinlich fand man es früher sehr praktisch, dass man die Motten-Hügel hinab verschiedene Gegenstände auf die Angreifer rollen konnte (Baumstämme, Steinkugeln, etc.). Die Abschrägung der Mauer hatte eine ähnliche Funktion. Gegenstände, die man von oben herabgeworfen hatte (z.B. Steinkugeln) prallten unten an der Abschrägung ab, zersplitterten dabei auch oft, und wurden so zu gefährlichen Geschoßen für die Angreifer. Umgekehrt lenkt die Abschrägung auch die Energie einer aufprallenden Katapult-Kugel oder eines Rammbocks nach oben hin ab, sodass die Mauer dadurch stabiler wird. Ein schönes Beispiel eines Donjon's gibt es z.B. in Beaugency. Man kann auch hier sehr gut die Abschrägungen sehen, die herabgeworfene Gegenstände in die Richtung des Angreifers umlenken sollten.

- Gegen diese Wohntürme nützten also weder Belagerungstürme (weil die Wohntürme ja sehr hoch waren), noch Rammbock. Also verbesserte man die Katapulte. Mit den großen Trebuchet's (auch Tribok oder Blide genannt) konnte man schwere Steinkugeln bis zu 450 Meter weit schleudern. Damit konnte man aus sicherer Entfernung eine Burg beschießen (zum Vergleich: die Pfeile der Langbögen erreichten gezielt etwa 200 Meter). Lange Zeit waren die Burgen/Wohntürme gegen diese Wunderwaffen machtlos. Was tat man also dagegen? Man baute um die Wohntürme herum einen Mauerring, auch "Ringmauer" genannt. Man vergrößerte also die Burg, sodass die Reichweite der Katapulte nicht mehr ausreichte, um den inneren Wohnturm treffen zu können. Der Angreifer musste zuerst die äußere Mauer zerstören, und die Verteidiger gewannen dadurch Zeit für z.B. einen Gegenangriff. Wenn nicht viel Platz für eine große Burganlage zur Verfügung stand, baute man auch sogenannte Schildmauern direkt vor die Wohngebäude. Also besonders dicke und hohe Mauern, die dem Katapultbeschuss möglichst lange standhalten sollten.

- Um die Tore vor Katapultbeschuss oder Rammböcken zu schützen, baute man fast immer eine sogenannte Barbakane vor das Tor. Also eine kleine vorgelagerte "Festung", die verhinderte, dass der Feind das Tor direkt beschießen konnte. Es gab da die verschiedensten Formen, oft waren sie auch einfach nur aus Holz gebaut. Die Türme der Burgen hatten zu dieser Zeit meist noch kein Dach, da man auf ihnen ebenfalls Katapulte aufstellte, um die angreifenden Katapulte beschießen zu können. Man hatte dadurch auch einen Höhenvorteil, und konnte somit weiter schießen als der Angreifer. So entstand ein Wettrüsten - immer größere Katapulte wurden gebaut, mit immer größerer Reichweite.

- Und dann kam plötzlich eine neue Wunderwaffe daher. Die Bombarden, also die ersten Kanonen. Wobei, von "plötzlich" kann man eigentlich nicht sprechen. Die ersten Feuerwaffen wurden bereits ca. 1360 erfunden. So richtig durchsetzen konnten sie sich aber erst nach 1400/1420. Die Gründe dafür waren: die ersten Bombarden waren noch zu gefährlich und explodierten oft. Sie waren den Menschen damals einfach zu laut. Sie waren zu ungenau - man konnte damit nicht so genau zielen wie mit den, mittlerweile zu Präzissionsgeräten herangereiften, Steinschleudern. Und die Flugbahn der Geschosse (am Anfang waren es Steinkugeln, genau wie bei den Katapulten) war sehr flach - waren also ungeeignet, um über eine Mauer hinweg ins Innere einer Burg zu schießen.

- Aber als man dann irgendwann die Reichweite der Steinschleudern nicht mehr steigern konnte, stieg man dann schließlich doch auf die Feuerwaffen um. Schließlich war es enorm wichtig, dass man weiter schießen konnte als der Gegner. Die Bombarden/Kanonen wurden mit der Zeit immer besser und zielgenauer. Und auch die Burgen mussten dadurch entsprechend umgebaut werden.

- Im Mittelalter waren hohe Türme bei Burgen sehr wichtig. Weil das die Reichweite der Geschoße (Pfeile, Armbrustbolzen, Katapultgeschoße) erhöhte. Aber seit der Einführung der Feuerwaffen wurden diese Türme eine große Gefahr für die Burgbesatzung. Sie waren nämlich für Kanonen leicht zu treffen, und konnten den neuen Eisenkugeln nicht standhalten. Die Türme waren also ein leichtes Ziel, und die herabfallenden Trümmer konnten zu einer tödlichen Gefahr für die Menschen in der Burg werden.

Also was hatte man dagegen getan: vor allem in der Renaissance-Zeit "kastrierte" man viele Burgen. Man schnitt ihnen also die Türme ab. Das Wort "kastrieren" kommt tatsächlich davon (im Mittelalter nannte man Burgen oft lateinisch "castrum"). Durch das Kastrieren der Burgen raubte man ihnen sozusagen ihren ganzen Stolz (die hohen Türme), nur um sie dadurch "sicherer" zu machen. Gleichzeitig füllte man das Innere der Türme mit Erde auf, damit sie dem Kanonenbeschuss länger standhalten konnten. Oben auf den abgeflachten Türmen stellt man dann die Kanonen auf. Ein sehr gutes Beispiel für eine kastrierte Burg ist die Burg in Angers. Die Türme, die, wie man auf dem Foto sehen kann, auf fast bis auf die Höhe der Mauer gekürzt wurden, hatten ursprünglich fast die doppelte Höhe. Oben wurden dann noch Kanonen-Schießscharten eingebaut - und schon hatte man eine neuzeitliche Festung.

- Im sehr späten Mittelalter, bzw. in der frühen Neuzeit, lagerte man den Burgen auch sogenannte Boulevards vor (zu deutsch "Bollwerk"). Viele Namen von Straßen und Plätzen, deuten darauf hin, dass dort früher ein Boulevard war. Ein Boulevard war ein meist ringförmiger Erdwall, auf dem oben Kanonen aufgestellt wurden. Sie dienten hauptsächlich dazu, den Angreifer möglichst lange von der eigentlichen Festung fernzuhalten.

- Irgendwann gab man dann die meisten Burgen auf, und baute stattdessen neue Festungen, die noch besser gegen Kanonenbeschuss geschützt waren. Man baute die Festungen sternförmig. Das erlaubte das Aufstellen von möglichst vielen Kanonen, und gleichzeitig lenkten die vielen schrägen Flächen die Kanonenkugeln ab. Außerdem waren diese Festungen sehr niedrig gebaut, um den feindlichen Kanonenkugeln möglichst wenig Fläche zu bieten.

Und es wurde beim Bau sehr viel ERDE verwendet. Sand und Erde sind nämlich der beste Schutz gegen Kanonenkugeln. Weil beim Auftreffen wird die Energie der Kugel gleichmäßig verteilt, und das Geschoß richtet somit viel weniger Schaden an, als wie wenn es auf eine feste Mauer aus Stein treffen würde.

Und nun zurück zu Deiner Frage: wink
Bei modernen Festungen (vor allem die aus Napoleonischen Zeiten) waren die Gebäude immer sehr niedrig gebaut (damit die meisten feindlichen Kanonenkugeln darüber hinweg flogen, oder davor einschlugen). Bei einer Kanone ist es relativ einfach, beim Zielen die Richtung vorzugeben. Die korrekte Höhe einzustellen ist bei einer ballistischen Flugbahn schon viel schwieriger. Daher ist es für eine Kanone einfacher, einen schmalen hohen Turm zu treffen, als eine niedrige Mauer. Und das nutzten die Festungsbauer der Neuzeit aus, und bauten sehr flache/niedrige Festungen.

Zusätzlich hatte man möglichst viel Erde verwendet, da sie den besten Schutz vor Kanonenkugeln bot. Außerdem waren nach dem Kampf die Einschusslöcher in der Erde viel einfacher und billiger zu "reparieren" als Einschüsse in einer Steinmauer. Ein weiterer Vorteil war, dass es in der Erde keine Querschläger gab. Eine Kugel konnte leicht von einer Steinmauer abprallen und als Querschläger zu einer Gefahr werden. In der Erde blieben die Kugeln gefahrlos stecken. Das gilt vor allem auch für Splitter-Geschoße ( Kartätschen). Und aus diesem Grund hatten die Gebäude auch auf den Dächern eine dicke Schicht aus Erde. Manchmal befand sich sogar das gesamte Gebäude unter einem Erdhügel, sodass nur die Eingangstüre und die Fenster frei waren.
In späteren Zeiten hatte man stattdessen dann Sandsäcke verwendet, weil diese einen noch besseren Schutz bieten, und leichter zu transportieren sind.


Edit: Das Gras auf den Dächern hatte noch einen weiteren Vorteil, den bereits die Wikinger kannten. Es ist wasserabweisend. Für die Wikinger wurden dadurch die Dächer der Holzhütten wasserdicht, für die Festungsbauer hatte das Gras den Vorteil, dass der Regen die Erde nicht wegschwemmen konnte. Auch die Erdhügel der ersten mittelalterlichen Motten (siehe oben) wurden mit Grasziegeln belegt, damit der Regen den Hügel nicht abträgt. Von diesen Grasziegeln kommt übrigens auch der Name "Motte" (ist die alt-schweizerische Bezeichnung für ausgestochene Grasziegel).