Originally Posted By: Lukas
Für mich ist die Reaktionszeit, die Zeit zwischen der etwas passiert, und das wir deshalb etwas machen. Das beinhaltet nicht nur die Latenz von unseren Nerven, sondern auch die Zeit, die Denkvorgänge in Anspruch nehmen.
Okay, da sind wir ja einer Meinung.
Wobei ich es ein wenig anders formulieren würde:
Es ist die Zeit, zwischen dem WAHRNEHMEN(Erfassen/Messen) eines Ereignisses DURCH UNSERE SINNESORGANE, und dem Beginn einer Reaktion unseres Körpers.

Weil wenn es zum Beispiel auf der Sonne eine große Explosion geben würde, dann sehen wir das ja auch nicht in genau dem Moment, in dem das Ereignis PASSIERT. Sondern erst ca. 8 Minuten später, wenn das Licht von der Sonne bei unseren Augen ankommt. Also kann die Reaktionszeit erst ab dem Zeitpunkt beginnen, ab dem unsere Sinnesorgane das ankommende Licht (oder die Schallwellen, etc.) messen/erfassen können, und nicht ab dem Zeitpunkt an dem das Ereignis passiert.
Und die Reaktionszeit endet in dem Moment, in dem wir mit einer Reaktion beginnen (z.B. indem wir damit beginnen, uns zum Schutz die Hand vor das Gesicht zu halten).


Originally Posted By: Lukas
Jedenfalls, falls du es anders in Erinnerung hast oder etwas anderes gemeint hast, hier ist das was du geschrieben hattest:
die Bildinformationen brauchen fast eine halbe Sekunde, um von den Augen zum Gehirn zu gelangen.
Genau das hatte ich geschrieben, und genauso hatte ich es auch gemeint. wink
Das mit der halben Sekunde darf man allerdings nicht so ernst nehmen. Das ist nur ein ungefährer Wert, der bei verschiedenen Menschen und in verschiedenen Situationen abweichen kann. Aus den Zeitungsartikeln (und dem Dokumentarfilm), aus denen ich diese Information habe, war auch leider nicht ersichtlich, wie lange genau diese Verzögerungszeit dauert (also die Zeit, die ein Bildsignal von den Augen bis zum Gehirn benötigt). Es wurde nur gesagt, dass es verhältnismäßig lange dauert. Zu lange, für eine Erkennung in Echtzeit.

Aber es wurde in dem Dokumentarfilm ein Versuch mit einem Computerbildschirm gezeigt, auf dem ein fahrendes Auto zu sehen war. Genauer gesagt eine Computergrafik von einem Auto, das man von der Seite sieht, vor einem schwarzen Hintergrund. Und dieses Auto blieb plötzlich stehen. Von ca. 100 km/h auf 0 km/h ohne irgendeine Verzögerung. Und man konnte selbst erkennen, dass man das Auto noch kurz weiterfahren sah. Und diese Zeit dauerte bei mir eine geschätzte halbe Sekunde (vielleicht auch etwas weniger). Und das ist genau die Zeit, die unser Gehirn in die Zukunft blickt und ein Ereignis vorberechnet. Das Gehirn hatte mir also vorberechnet, wo sich das Auto momentan befinden müsste. Obwohl es zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht wissen konnte, ob sich das Auto tatsächlich dort befindet. Diese Information bekam das Gehirn ja erst ca. eine halbe Sekunde später zugeschickt.

Es ist tatsächlich so dass die Signale von den Sinnesorganen (z.B. Augen) ziemlich viel Zeit benötigen, um zum Gehirn zu gelangen, wo sie dann sozusagen "erkannt" werden. Und das ist nicht nur eine Theorie von mir, sondern das wurde mit verschiedensten Versuchen wissenschaftlich bestätigt. Die Übertragung läuft nicht in Echtzeit ab, sondern mit einer Verzögerung. Zwischen dem Eintreffen eines Lichtstrahls auf einer Sehzelle, und der Wahrnehmung dieses Ereignisses im Gehirn, vergeht einige Zeit.

Okay, wir können jetzt darüber streiten, wie lange diese Zeit dauert. Ob sie wirklich eine halbe Sekunde dauert, oder nur eine viertel Sekunde.
Aber Tatsache ist, dass diese Zeit zu lange dauert, um ein Erkennen von Gefahren in Echtzeit zu ermöglichen. Und aus diesem Grund rechnet uns unser Gehirn ständig ein Bild vor, von dem es annimmt, dass es der aktuellen Realität entspricht. Unser Gehirn spielt also ständig Prophet und wirft sozusagen ständig einen Blick in die Zukunft (wenn auch nur maximal eine halbe Sekunde in die Zukunft, was ja technisch gesehen durchaus möglich ist, und einfacher ist als ein Blick in die ferne Zukunft).

Um das ganze auf Dein Computer-Beispiel zu münzen: das ist so, als ob man eine Webcam hat, die an einem fernen Ort ein Geschehen filmt. Übers Internet gelangt das Bild dann zu Deinem Computer. Allerdings mit einer gewissen Verzögerungszeit. Du wirst also niemals die momentane Realität am Computer sehen können. Also macht der Computer folgendes: er zeigt Dir nicht das tatsächliche Bild von der Webcam, sondern er versucht ein Bild zu berechnen. Und zwar anhand aller Informationen, die er zuvor bekommen hatte. Wenn er also ein Einzelbild von einem fahrenden Auto bekommt, dann berechnet der PC ein Bild, bei dem das Auto 1 bis 2 Meter weitergefahren ist. Weil der Computer aus allen vorherigen Bildern weiß, wie schnell das Auto unterwegs ist. Daher kann er auch hochrechnen, an welcher Stelle sich das Auto in einer Sekunde befinden müsste.
Das heißt, der Computer würde ständig VERALTETE Bilder erhalten, würde aber durch die Hochrechnung dafür sorgen, dass die Bilddaten dennoch (höchstwahrscheinlich) aktuell sind.

Das klingt jetzt alles sehr fantastisch und unglaubwürdig. Weil wir uns nicht vorstellen können, dass es Computerprogramm soetwas so schnell berechnen könnte.
Aber unser Gehirn kann das offensichtlich. Weil es genau dafür konstruiert wurde. Dieses Bilder-Berechnen aus verschiedensten Informationsquellen/Sinnesorganen macht unser Gehirn ununterbrochen. Wir sehen genaugenommen nicht nur mit den Augen, sondern auch mit den Ohren, mit der Nase, etc.! Unser Gehirn "bastelt" sich aus allen Informationen, die es bekommen kann, ein Bild zusammen. Genauso wie wir nicht mit der Zunge alleine schmecken, sondern der Geruch und das Sehen spielen eine große Rolle dabei (da gibt es auch einige Experimente. Wenn wir z.B. beobachten, wie wir mit einer Erdbeere gefüttert werden, und in Wirklichkeit steckt man uns dann aber ein Stück Banane in den Mund, dann werden wir trotzdem eine Erdbeere schmecken. Oder wenn wir ein und denselben Wein aus verschiedenen Flaschen trinken (aus einer teuren Flasche, und aus einer billigen Flasche), werden viele glauben, dass der Wein aus der teureren Flasche besser schmeckt.

Also unser Gehirn sammelt ständig SÄMTLICHE Informationen die es bekommen kann, und berechnet uns daraus eine Wahrnehmung von unserer Umwelt. Mit der tatsächlichen Realität hat das aber oft nichts gemeinsam. Wir nehmen unsere Umwelt ja auch immer sehr stark vereinfacht/gefiltert wahr, damit unser Gehirn nicht überfordert wird.

Dass unser Gehirn das Bild, das wir sehen, nur berechnet (und es nicht eine originalgetreue Wiedergabe von unseren Augen, also unserer "Kamera", ist), das beweisen doch unsere Träume. Im Traum kommen uns unsere Träume absolut fotorealistisch und echt vor. Aber auch hier berechnet unser Gehirn nur ein Bild, das es in Wirklichkeit gar nicht gibt (es holt sich aber in diesem Fall die Informationen für die Bilderstellung nicht von den Sinnesorganen, sondern aus dem Gedächtnis).

Ein anderer Beweis für das "berechnete Bild" ist eine Krankheit (Prosopagnosie) bei der die erkrankten Personen keine Gesichter erkennen können. Sie können ALLES erkennen - außer Gesichter. Gesichter sehen für sie alle gleich aus. Sie können sie einfach nicht unterscheiden. Also offensichtlich hat unser Gehirn auch "Programme", die speziell für die Erkennung (und vielleicht auch grafische Darstellung?!) von Gesichtern zuständig sind. Das ist ein Zeichen dafür, dass wir niemals das GESAMTE Bild (das unsere Augen wahrnehmen) erkennen, sondern unser Gehirn konzentriert sich sozusagen auf bestimmte Objekte. Und da gibt es dann bestimmte Hirnteile, die für bestimmte Objekte "zuständig" sind. Wahrscheinlich hat das auch etwas damit zu tun, dass wir Wörter auch erkennen, wenn sie falsch geschrieben sind. Nur Anfangsbuchstabe und Endbuchstaben müssen passen. Wenn wir einen Text lesen, dann glauben wir, dass wir mit unseren Augen den GESAMTEN Text sehen. Aber das GLAUBEN wir nur. Tatsächlich nehmen wir nur einen Bruchteil davon wahr (übersehen dabei Tippfehler), und erst im Gehirn entsteht dann der Gedanke an einen Text, den wir tatsächlich zu sehen glauben (ohne Tippfehler).

Einerseits ist es erschreckend, dass wir die Umwelt niemals so wahrnehmen, wie sie wirklich ist. Aber andererseits ist diese Berechnung einer "virtuellen Umwelt in unserem Kopf" notwendig, damit unser Gehirn die Umgebung überhaupt wahrnehmen kann, ohne dabei durchzuschmoren.

Und andererseits: was ist schon die Realität? In der Realität gibt es keine Farben (nur Lichtwellen/Photonen mit unterschiedlichen Schwingungen/Wellenlängen). Es gibt keine Töne (sondern nur Schwingungen von z.B. Luft). Es gibt keine Wärme oder Kälte (sondern nur unterschiedlich starke Schwingungen von Atomen). Nichts in der Natur berührt sich (es liegen immer Magnetfelder zwischen den Atomen, die sich gegenseitig abstoßen). Und in Wahrheit ist alles was uns umgibt, genaugenommen nur Energie. Also alles was wir wahrnehmen ist eigentlich eine "Lüge" unseres Gehirns bzw. eine Vereinfachung, damit unser "primitives" Gehirn es besser verstehen kann. wink


Originally Posted By: Lukas
Zum Mädchen, von dem du gemeint hast, Details zu erkennen:

Das ist auch ein zweideutiges Bild. Man kann einen Hasen oder eine Ente erkennen.
Ja, ich kenne viele solcher Bilder. Aber diese Bilder haben nichts mit der Realität zu tun. Weil das auf dem Bild ist weder ein Hase, noch eine Ente. Es ist ein reines Fantasiegebilde. Und daher hat unser Gehirn ein Problem, zu erkennen, was es ist. Das Gehirn versucht dann, etwas zu finden, was diesem Bild am ehesten ähnlich sieht. Und dann fällt dem Gehirn vielleicht als erstes ein Hase ein. Weil das Ergebnis aber noch immer nicht zufriedenstellend ist (weil eigentlich sieht es ja nicht wirklich wie ein Hase aus), sucht unser Gehirn weiter. Und irgendwann entdeckt es, dass es auch einer Ente ähnlich schauen könnte. Und dann erkennen wir eine Ente.

Das hat aber jetzt nichts mit meinem Beispiel mit dem Kind am Straßenrand zu tun. Weil der Baumstamm sah ganz bestimmt nicht einem Mädchen ähnlich. Mein Gehirn hatte wahrscheinlich bei der ersten Wahrnehmung des Baumstammes den Baumstamm nur verschwommen aus den Augenwinkeln erkannt. Und hatte dann das schlimmste angenommen, und mir ein Bild von einem Mädchen vor-berechnet. Weil wie schon gesagt: ich sah das Mädchen so, als ob es wirklich existiert hätte. Ich konnte das Gesicht erkennen, die Haare, das Kleid. Und dann plötzlich machte es klick, und das Gehirn korrigierte den Fehler. Weil es inzwischen die ECHTEN Bilddaten von dem Baumstamm erhalten hatte.