Hier ein schöner Userpost aus dem K-Forum
bezüglich Gothic1 vs Arcania (Gothic 4)


Eine schöne Analyse zum Thema "DeEvolution" von Spielmechaniken.


http://www.k-foren.de/showthread.php?t=112525&page=2

Quote:
Es gab Zeiten da hatte man bei einem Rollenspiel mal den Anspruch eine Welt möglichst detailgenau zu simulieren und so Charakteren eine atmopshärische Grundlage zum sprichwörtlichen Rollen"spiel" zu geben.

Gothic war da von Anfang an ganz weit vorne.

Der Ansatz auf Kniffe wie Levelunterteilung, Ladebildschirme und Scripting zu verzichten war monumental. Die damit einhergehenden Probleme ebenfalls.

Der Grundgendanke Gothics, dir in einem abgegrenzten Areal (Gefängnis) eine simulierte Welt zu Füßen zu legen, deren Grenzen du von Beginn an einsehen kannst und in deren Mikrokosmos du nach vorgegebenen Regeln partizipieren, und so in der zugrundeliegenden Gesellschaftsform aufsteigen kannst bedingt so unglaublich viele Eigenarten die das Spielerlebnis so wertvoll und einzigartig machen.

So simuliert Gothic eine Gesellschaft die vom Standesdenken geprägt ist und deren Schmierstoff das Erz (als Währung) ist.
Geld ist also immanent wichtig und ein legitimer Motivationsfaktor (im Gegensatz zu Diablo, Gta4, Mafia 2 etc.)

Die Gesellschaft splittet sich in mehrere Fraktionen, eine, zugegebenermaßen, vereinfachte Zusammenfassung menschlicher Gesinnungen die auch eine spielerische Abgrenzung bildeten.
Die Fraktionen bildeten abgeschlossene, funktionelle Einheiten in denen jeder Einwohner eingebunden war. Es hatte also jeder, natürlich, will man sagen, einen Tagesablauf, einen Schlafplatz, Eigentum, eine Gesinnung und eine Funktion in seiner Fraktion. Die Gesinnung der Personen untereinander bildete das Rufsystem dass es dem Spieler erschwerte neutral zu "questen" und so eine Identifikation mit einem der Lager förderte.
Das Rufsystem und das dichte Geflecht aus Regeln (Diebstahl wird bestraft, Waffen ziehen gilt als Agressive Handlung, Das Töten von Zivilisten wird bestraft (und zwar durch eine realistische Hatz des ganzen Lagers auf einen und nicht durch irgend eine billige Mitteilung bzw. Bußgeld) Npc`s haben die gleichen Rechte wie der Spieler (und dürfen einen nach Niederschlag ausrauben)) lies einen völlig in die synthetische Welt Gothics eintauchen.

Dazu kam eine Umwelt in der auch Monster einen Tagesablauf hatten, Jagd aufeinander machten, logisch platziert wurden und einen festen Stärkewert besaßen (kein Mitleveln das das Balancing massiv erleichtert hätte).

Wenn man bedenkt dass es Piranha Bytes geschafft hat den Spieler in einer fixen, festen, großen Welt nur anhand der Reihenfolge von anzugehenden Quests (und das parallel für 3 Fraktionen) motivierend durch die Welt zu führen (es einem aber jederzeit gönnte auf eigene Faust loszuziehen und solcherlei Eventualitäten in die Spielmechanik einband (z.B. durch die Tatsache das Gegner langsamer sind als der Gegner, man also immer wegrennen kann oder dadurch dass Gegner nach kurzer Zeit die Verfolgung aufgeben und in Jagdgebiet zurückkehren, verlorene Hp`s dabei aber behalten)) dann ist das eine Kunst die sich erst jetzt, im Angesicht der Beschränktheit eines Arcania wahrlich offenbart.

Denn schauen wir uns dieses Produkt mal im Einzelnen an:

Man hat eine Engine lizensiert (Trinigy Vision)
mit Middleware vollgestopft (z.B. SpeedTree)

Ein Questsystem programmiert
ein rudimentäres Skillsystem,
ein ordentliches Kampfsystem samt kaum vorhandener Ki erstellt

Und das war es dann auch. Der Rest sind (zugegeben sehr gute) Grafikassets, Animation und Soundsamples.

Alle komplexen, fehleranfälligen und aufwändigen Systeme wurden über Bord geworfen. Keine Innovationen eingebracht.

Arcania ist der Rumpf auf dem normale Spiele aufbauen um, ausgehend von dieser gesunden Basis, dem Spiel den eigenen Stempel aufzudrücken, Innovationen zu generieren oder zumindest eine Besonderheit einzubringen.
Die Besonderheit von Arcania war es wohl Gothic in den Namen zu packen.


Arcania ist bestimmt kein schlechtes Spiel. Aber die Mechanik ist so zurückgebildet, das Spiel so sehr Techdemo dass es im Jahr 2010 wie ein Relikt aus grauer Vorzeit daherkommt. Und Pate steht für eine Entwicklung die Spieler auf bloße Schauwerte konditioniert und ihn mit der Ignoranz von Regeln und fortlaufenden lauwarmen Erfolgserlebnissen die Möglichkeit wahrer Emotion und Erfüllung verwährt.

Schade drum.