Originally Posted By: Hummel
Ich würde gerne Harry´s professionellen Rat hierzu hören:
http://www.der-postillon.com/2010/08/archaologen-auf-mysteriose-burg-gestoen.html

Ah, eine außergewöhnliche Entdeckung, die Du da gemacht hast.
Bei dieser Burg handelt es sich in der Tat um einen außergewöhnlichen archäologischen Fund.

Sowohl Baustil als auch Baumaterialien deuten klar auf eine französische Burg des ausgehenden Spätmittelalters hin. Wie diese Burg nach Kiel kommt, ist eine Frage, die noch geklärt werden muss. Möglicherweise ist diese Burg ursprünglich gar nicht in Kiel entstanden, sondern die Baumaterialien, vielleicht sogar ganze Teile der Burg, wurden aus Frankreich angeliefert.

Obwohl der Baustil klar Frankreich zuzuordnen ist, gibt es jedoch auch einige Widersprüchlichkeiten im Baustil. Das ist es, was diesen Fund so einzigartig macht.

Die schlanken hohen Türme mit den Spitzdächern kann man vom Baustil her eindeutig der Region um Paris (also Nordfrankreich) zuordnen. Dagegen spricht jedoch der verwendete gelbe Sandstein. In der Region von Nordfrankreich würde man eher weißen Kalkstein erwarten.

Die Herkunft des gelben Sandsteins gibt außerdem viele Rätsel auf. Dieser Stein scheint weltweit einzigartig zu sein.
Die Farbintensität dieses Sandsteins ist wohl noch am ehesten mit den Steinen aus der französischen Region Perigord vergleichbar. Allerdings sind die Steine dort vom Farbton her eher orange anstatt gelb. Außerdem wurden diese gelb/orangen Steine im Mittelalter nachweislich mit weißem Kalk verputzt - gelbe Burgen dürften damals nicht sehr beliebt gewesen sein.

Außergewöhnlich ist auch die, bei den Spitzdächern verwendete, Mischung aus roten Dachziegeln (Ziegel aus gebranntem Lehm) und blaugrauen Schieferplatten. Beides war im Mittelalter weit verbreitet, aber die Kombination aus beidem ist technisch unmöglich (Steinplatten aus Schiefer sind sehr zerbrechlich und lassen sich nicht in exakt die gleiche Form bringen wie geformte und gebrannte Dachziegel aus Ton/Lehm. Daher müssten hier auch verschiedene Methoden der Dachdeckung angewendet werden). Allerdings könnte es sich bei den Dachziegeln auch um gefährbte Dachziegel handeln, wie sie z.B. in Burgund sehr beliebt waren.

Besonders auffällig bei dieser Burg ist die geringe Wehrhaftigkeit. Die Türme sind sehr schmal, würden also einem Beschuss nicht lange standhalten können, und sie haben oben gar keine Zinnen oder Schießscharten. Die Verteidiger der Burg könnten die Höhe der Türme also gar nicht zu ihrem Vorteil nutzen.

Auch die Zinnen der Schildmauern weisen keine Schießscharten auf, und bieten daher nur geringen Schutz für die Verteidiger. Außerdem gibt es keine Maschikulis, wie sie im Spätmittelalter allgemein verbreitet waren, um Angreifer abwehren zu können, die sich direkt unter der Mauer befinden. Diese Art von Mauern wurden nur im frühen Mittelalter verwendet. Und selbst damals gab es unter den Zinnen meist Löcher für die Balken von Hurden (hervorkragende hölzerne Vorbauten).

Die geringe Wehrhaftigkeit, die Schlankheit der Türme, und die Spitzdächer, lassen darauf hindeuten, dass es sich bei dieser "Burg" gar nicht um eine Burg handelt, sondern um ein Schloss des Spätmittelalters. Dagegen sprechen allerdings die verwendeten Fenster in den Türmen. Hier wären eher die spätmittelalterlichen rechteckigen Fenster zu erwarten gewesen als diese außergewöhnliche Mischung aus Rund- und Spitzbogen-Fenster.

Wofür diese seltsame rote Brücke aus Ziegelstein (mit Zinnen) dienen soll, wird wohl ein ewiges Geheimnis des Baumeisters bleiben!?

Ich hoffe, ich konnte Dir mit meinem Rat behilflich sein?!? grin

Grüße,
Thomas